Leadville 100

Am letzten Sonntag nahm EF Education First Pro Cycling den dritten Event des alternativen Rennkalenders in Angriff, das Leadville 100. Ein MTB-Rennen über 100 Meilen auf einer Wendestrecke im Hochgebirge von Colorado.

16 August 2019

Leadville wurde von vielen, die es gefahren sind, als der schwerste Tag auf dem Rad bezeichnet. Die zwei alternativen Rennfahrer von EF waren der frisch gebackene US-Straßenmeister Alex Howes und GBDuro-Bezwinger Lachlan Morton. Hier berichten sie aus erster Hand von ihrem einzigartigen Tag – vom Frühstück bis zum Podium.

Lachlan.

Alex.

Ich wachte so um vier Uhr nachts auf und dachte, ich würde einen Vorsprung vor den anderen haben. Ich kam die Treppe runter und es waren schon ungefähr zwölf Leute unten in der Küche. Es war eine Party, Kaffee flog herum und überall waren Haferflocken.

Dass Taylor [Phinney, der wegen einer Rückenverletzung nicht beim Leadville startete] nicht fuhr, war wahrscheinlich ein Gewinn, da er uns am Morgen Eier kochte [lacht]. Er tauchte um vier Uhr morgens auf, und ich dachte nur, das ist ein echter Teamkollege.

Wir sprangen in den Van, und die Straße nach Leadville war superdunkel wegen der Berge, sodass es sehr gespenstisch war. Plötzlich kamen wir in Leadville an. Es war fünf Uhr morgens und ein Riesentrubel. Ein Lautsprecher war an und sie spielten Smashmouth. Ich dachte: Okay, jetzt geht’s los.

Am Start war ich ganz benebelt und hatte ein ganz warmes Gefühl, weil so viele Freunde und Familienmitglieder da waren. Mein Vater war da, meine Frau war da. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, dass ich hier war, um ein Radrennen über 100 Meilen zu fahren. Doch als Ken [Chlouber, Gründer des Rennens] seinen Zweischüsser abfeuerte, fiel es mir ziemlich schnell wieder ein. Los geht’s!

Am Anfang des Rennens gibt es ein ziemlich langes Straßenstück. Es geht leicht bergab und ist schnell, aber auf dem Mountainbike hast du keine sehr großen Gänge, also kurbelten alle nur so dahin und blieben zusammen. Dann kam wie aus dem Nichts dieses Tandem von hinten durch und führte das Feld in den ersten Anstieg. Alex schaute mich an und meinte so: „Nächstes Jahr Cape Epic? Tandem?!“

Wir kamen zum ersten Anstieg, und irgendwie schauten sich alle an. Keiner wollte seine Karten auf den Tisch legen. Dann gibt Lachlan Morton Gas – natürlich – und zieht die Schrauben an. Ich war hinten nur am Leiden, wie das meine Art ist...

Wir gingen in den ersten Anstieg, und ich bin nicht der Typ, der wartet, bis das Rennen zu mir kommt, also sagte ich, gehen wir’s an [lacht]. Ich fing an, Tempo zu machen, und die Gruppe begann langsam zu zersplittern.

Wir fuhren mit etwa zwölf Leuten über die Kuppe des ersten Anstieges. Wie arbeiteten uns rüber zum Powerline, was nicht superhart ist, doch wir gingen nur so durch die Decke. Ich so, wir sind erst 20 Meilen gefahren! Kinder, was machen wir hier?

Nach den ersten zwei Anstiegen kommt der schwierigste Downhill der Strecke, und als Straßenfahrer kannst du nicht anders, als daran zu denken, was gleich kommt. Wir fuhren rein und ich folgte Alex und wir fingen an, andere Leute zu überholen. Wir fingen sogar diese zwei Jungs an der Spitze ein, die richtige Mountainbiker waren. Alex und ich hatten beide ein riesiges Lächeln im Gesicht und wir fingen an, uns anzuschreien. Ich so: Ja! Dafür bin ich hier. Lass uns ein Rennen fahren!

Wir bildeten wieder eine Gruppe, weil es das ist, was du 80 Meilen vor dem Ziel machst, und wir fuhren den ganzen Weg zusammen bis zum Fuß des Columbine 40 Meilen vor dem Ziel. Und weil Lachlan Morton Lachlan Morton ist, tritt er wieder an, so ziemlich direkt am Anfang. Er sagte, dass er die anderen Jungs klein kriegen wollte, aber ich denke, er kriegte eher mich klein als alle anderen. Ich dachte nur, Mann, fahren wir so bis nach oben?

Am Fuß des Columbine wurde es im Feld etwas ruhiger, denn das Rennen war ziemlich schnell gewesen. Noch einmal strömte mir das Blut in den Kopf, und am Fuß eines einstündigen Anstieges machte ich meinen Zug [lacht].

Wir waren zu fünft auf dem Weg nach oben. Ich fühlte mich okay, aber ich hatte schon immer diese magische unsichtbare Linie und ich vergesse immer, dass ich sie habe. Ich denke, dass es super läuft, und dann komme ich über 3.600 Meter, und zack!, geht mir die Puste aus. Und genau, wie es kommen musste, fuhren wir heute diesen Anstieg hoch, und wir kamen auf 3.600 Meter und ich klebte auf der Straße, war am Schnaufen und nichts lief mehr. Es dauerte ein bisschen, bis mir wieder einfiel, warum. Ich habe ein selektives Gedächtnis, wenn es um solche Sachen geht – ich versuche, Misserfolge zu vergessen, wenn es geht... Aber doch, es tat weh, zu sehen, wie diese Jungs langsam davonkrochen.

Auf dieser Höhe ist es seltsam, denn du kannst keine Attacke wirklich durchziehen. Einen Moment lang denkst du, dass du dich gut fühlst, und du fährst nach vorne. Aber dann ist es nur noch: Leiden! Leiden! Und es wird nur schlimmer, je weiter es hochgeht. Der Columbine beginnt bei 3.000 Meter und geht bis 3.800 Meter. Die letzten drei Kilometer sind echte Rampen, dazu sehr steinig. Dort merkte ich, dass die Mountainbiker an den steileren technischen Abschnitten etwas haben, das ich nicht habe. Sie konnten diese kleinen Abschnitte hochpreschen und den Schwung mitnehmen. Plötzlich waren sie 20 Meter entfernt, und ich musste mich langsam wieder heranarbeiten. Das war definitiv eine Fähigkeit, die sie hatten und die ich absolut nicht habe.

Ich fahre voraus und sage, dass ich auf die Jungs hinter mir warte [lacht]. Ich tat es und tat es nicht, aber wir kamen den Berg herunter und ich war an Todd Wells Hinterrad. Er ist zwei- oder dreimaliger Olympiateilnehmer, ein richtiger Adler auf dem Rad, wenn es darum geht, eine dreckige Abfahrt runterzufahren, und ich dachte nur: Wie cool ist das denn. Ich folgte seinen Reifen mit meinen und machte die Augen zu. Ich grinste nur so von einem Ohr zum anderen und dachte, das erlebst du nur ein Mal. Ich meine, als Kind hatte ich ein Poster von ihm in meinem Zimmer.

All die Leute, die den Anstieg heraufkamen, riefen meinen Namen, als ich runterfuhr. Es war echt cool, denn sie sahen, wie sich das Rennen entwickelte, bei dem sie mitfuhren. Leadville ist ein sehr ungewöhnlicher Kurs, da es eine Wendestrecke ist. Alle starten zusammen, und auf den ersten 50 Meilen reißt alles auseinander. Dann machst du oben am Columbine einen U-Turn, und auf dem ganzen Weg zurück siehst du jeden einzelnen Menschen, mit dem du gestartet bist. Du bekommst zu sehen, wie unterschiedlich der Tag für die Leute ist. Es fängt an mit den richtig ernsthaften Jungs und den nicht ganz so ernsthaften, die sich aber immer noch um ihre Zeit sorgen, und dann kommst du zum Ende, wo die Leute einfach nur versuchen, es hinzukriegen. Und plötzlich wird dir klar, wie lang der Tag für viele dieser Leute werden wird.

Ich hatte eine ziemlich gute Gruppe auf dem Weg zurück ins Ziel mit Todd, Pete Stetina und ein paar anderen. Aber dann fingen die Leute an, rauszufallen. Irgendwann schaute ich mich um, und ich war alleine. Lachlans Gruppe war eine Minute und ein paar Sekunden weiter vorne. Es gab große breite Straßen und gigantische Berge, die mich daran erinnerten, wie klein ich bin. Und ich war in dieser riesenhaften, epischen Landschaft, allein auf meinem kleinen Fahrrad, und versuchte, ins Ziel zu kommen. Und ich dachte, hmm, gerade jetzt brauche ich einen Freund...

Wir hatten keine große Lücke, also lösten wir uns vorne zu dritt immer wieder ab. Ich fand es ziemlich krass: ein „Cape Epic“-Sieger, ein „Cape Epic“-Etappensieger und ich, ein Straßenfahrer. Ich hatte das Gefühl, nicht ganz reinzupassen, aber es war cool zu sehen, wie diese Jungs ihr Ding machten und wie sie klarkamen.

An die 20 Meilen vor dem Ziel war ich komplett am Ende. Ich hatte zwei Verpflegungsstationen verpasst und hatte einen Hungerast. Nach 80 Meilen kam ich ans EF-Zelt und ließ zwei Flaschen fallen. Ich sah, wie sie wegrollten, und dachte mir, ich sollte besser umdrehen und sie aufheben, und dann sah ich meine Frau in dieser Kraftpose mit einer Flasche in der Hand. Hätte sie die Flüssigkeit aus dieser Flasche holen und in meinen Magen tun können, hätte sie es getan. Ich so: „Oh, die werde ich nicht verpassen“, und rumms, die stärkste Verbindung aller Zeiten. Rettete mich ganz klar.

Es gibt einen Punkt zwischen der letzten Verpflegungsstation und Powerline, welcher der letzte große Anstieg ist. Gerade ist es noch ein normales Rennen, dann haben plötzlich alle nichts mehr in den Beinen. Also musst du nehmen, was du noch im Tank hast, um den Powerline so gut wie möglich hochzukommen, und das macht das Rennen aus.

Es war etwas frustrierend, denn als wir in den letzten Berg reinfuhren, den Powerline, war ich etwa 30 Sekunden hinter Lachlans Gruppe. Ich konnte sie fast berühren. Und wir fuhren alle gegen diese Wand, es war wie ein mieses Computerspiel aus den 1980ern. Tsch-tsch-tsch-tsch-tsch... Wann ist dieses verdammte Ding zu Ende? Jeder holte jeden ein und keiner holte keinen ein, und alles passierte in doppelter Superzeitlupe.

Als wir unten in den Powerline reinfuhren, wusste ich, dass Howard [Grotts, der spätere Sieger] wirklich stark fuhr. Er hat dieses Rennen zwei Mal gewonnen und das ist sein Terrain, also wusste ich, dass er es drauf anlegen würde. Ich dachte, wie spiele ich das hier? Was ist mein Zug? [lacht]. Ich gab unten das Tempo vor und fuhr so, wie ich dachte, es halten zu können, und ich dachte, vielleicht ist es stark genug, dass es ihn denken lässt, dass ich mehr im Tank habe, auch wenn nichts mehr da ist. [lacht]. Wir ließen den kolumbianischen Fahrer stehen [Luis Mejia], und als wir das richtig steile Stück erreichten, waren wir nur noch zu zweit. Howard ging vorbei – es war nicht einmal eine Attacke –, und ich sah sein Tempo und dachte nur so: Das ist einfach zu viel. Ich kann nicht. Ich blieb an seinem Hinterrad, doch an einem steilen Stück ging er aus dem Sattel und trat ein bisschen an, und ich konnte nichts machen.

Zum Gipfel hin sah ich wirklich Sternchen, und das Vorderrad rutschte mir weg und ich sprang ab. Und sobald ich lief, merkte ich, dass es vielleicht sogar schneller ging. Ich hätte einfach Laufschuhe anziehen und das Ding hochrennen sollen. Ich hätte diesen Jungs fünf Minuten abgenommen.

Ich schaute auf die Uhr: 20 Sekunden, 30 Sekunden, 40 Sekunden, und ich konnte ihn für lange Zeit dort halten. Aber auf dem verwinkelten Stück verlor ich ihn. Und als ich nicht mehr diese Mohrrübe hatte, hatte ich einen kleinen mentalen Einbruch. Es war seltsam, denn es gab keine Zuschauer, du warst einfach alleine in den Wäldern und quältest dich den letzten Anstieg hoch. Und das war’s. Plötzlich waren es zwei Minuten, und ich kam nicht mehr zurück. Es fühlte sich für 20 Minuten irgendwie so an, als wäre ich alleine unterwegs. Und dann schaute ich mich plötzlich um und sah zwei Jungs, die aufholten, und ich dachte, oha, jetzt fahren wir ein Rennen, denn einer würde nicht aufs Podium kommen.

Quinn [Simmons, der spätere Zweitplatzierte] fuhr vorbei, und ich dachte nur, ciao, Mann. Er sah nicht mal so aus, als wäre er im gleichen Rennen. Ich hatte den Kolumbianer eingeholt, also war ich in fünfter Position, und ich dachte, oh Mann, ich werde bei einem Mountainbike-Rennen auf dem Podium sein. Und dann dachte ich: Wenn Quinn mich eingeholt hat, ist Todd Wells bestimmt gleich hinter mir. Deine Helden sind immer so groß in deinem Kopf. Und so jagte mich der Geist von Todd Wells den ganzen Weg bis zum Zielstrich [Wells finishte als Achter, zwei Minuten hinter Alex].

Auf den folgenden 15 Kilometern kamen wir drei zusammen, und wir hatten ein klassisches Straßen-Finale. Keiner kam mehr von hinten, also belauerten wir uns nur, weil wir wussten, dass es zum Sprint kommen würde. Ich hatte keine Ahnung, wer dieser 18-jährige Junge war, der Zweiter wurde, doch schon als ich ihn sah, dachte ich mir, dass er schnell ist. Er fuhr durch die Gruppe nach vorne, also hatte er so spät im Rennen gute Beine, und ich wusste, dass es schwer werden würde, ihn zu schlagen. Aber ich kenne Pete Stetina ziemlich gut und war mir ziemlich sicher, ihn im Sprint kriegen zu können. Das war mein Spiel: nur sicherzustellen, dass ich Pete schlage. [lacht]. Als der junge Typ zum Sprint ansetzte, folgte ich einfach nur Pete und ließ ihn die Verfolgung machen. Ich hängte mich an sein Hinterrad und rollte 50 Meter vor dem Ziel an ihm vorbei auf den dritten Platz.

Ich war ziemlich begeistert, einen Platz besser abzuschneiden als letztes Mal [Alex wurde 2016 Sechster]. Einige Downhills kachelten wir wirklich schnell runter. Es machte echt Spaß, zu sehen, was für ein Adler Lachlan ist. Ich war wirklich glücklich, als wir in Leadville einrollten.

Ich hatte einen tollen Tag. Es war spaßig. Ich hatte gedacht, dass ich auf den technischen Abschnitten mein Leben riskieren müsste, um dranzubleiben, und die glatteren Straßenabschnitte genießen würde, doch mit einem Mountainbike rumzuheizen, machte mir echt Spaß. Es war wirklich schön, für einen Tag so zu tun, als sei ich ein Mountainbiker.

Das Einzige, was mir am Leadville nicht gefällt, ist, dass wir uns morgen in einen Bus quetschen und acht Stunden nach Utah fahren müssen, wo wir am Montag bei der Tour of Utah starten. Heute fuhr ich mit dem Auto den Hügel herunter und dachte darüber nach, wie sehr mir der Hintern wehtat und dass er mir morgen den ganzen Tag im Auto noch mehr wehtun würde.