Das Spiel der Innovationen

Wie Raphas Materialtechnologie in den spezialisiertesten – und modernsten – Bereichen des Radsports immer wieder neue Maßstäbe setzt.

20 May 2022

Im Profiradsport ist nichts von Dauer – außer dem Wandel. In Sekundenschnelle kann sich alles ändern, ein Augenblick kann den Ausschlag geben und ein Tag kann eine ganze Karriere bestimmen. Seine Anpassungsfähigkeit entscheidet darüber, wie lange ein Radprofi an der Spitze bleibt.

In letzter Zeit hat sich der Sport jedoch in bedeutendem Maße verändert. Vor allem in den USA ist die Popularität des Straßenrennsports gesunken und durch ein Comeback von Kriteriumsrennen in den Innenstädten und den Trend zu Langstrecken-Gravelrennen ersetzt worden. Und mit der Abkehr vom klassischen Schwerpunkt hat sich auch die Rennbekleidung auf Top-Niveau verändert.

Die Anforderungen von superschnellen Rundstreckenrennen und Langstrecken-Gravelrennen mögen in der Praxis weit auseinander liegen, aber sie sind sich in ihrer Besonderheit sehr ähnlich. Mit dem Ziel, den Anforderungen unserer Elite-Athletinnen und -Athleten gerecht zu werden, hat das Rapha-Designteam die neuen Pro Team Crit und Gravel Jerseys geschaffen.

 

„Wir wussten von Anfang an, dass diese Trikots absolut einzigartig sein würden“, erklärt Harry Osborn, Produktdesigner bei Rapha. „Sie sind nicht für jeden geeignet, aber das ist ja auch der Sinn der Sache.“

Beim neuen Pro Team Crit Jersey hatten wir beim jedem Schritt des Entwicklungsprozesses ein Team im Sinn: L39ION of Los Angeles, das auch deshalb die Kriteriumsrennen der USA dominiert, weil es über das aerodynamischste Equipment verfügt.

 

„Wir hatten das Aero Jersey“, so Harry. „Doch wir wollten es auf die nächste Stufe heben und es an die hohen Intensitäten von Rundstreckenrennen anpassen, wo eine aktive Stützung der Muskulatur, Feuchtigkeitsmanagement und Aerodynamik wirklich wichtig sind. Alles drehte sich darum, das schnellstmögliche Trikot für diese ganz besondere Form des Radrennsports zu entwickeln.“

Das neue Crit Jersey wurzelt in Raphas Aero-Projekt früherer Zeiten, bei dessen umfangreichen Forschungsarbeiten es um die Entwicklung von Zeitfahranzügen ging. „Wir hatten im Windkanal bereits viel über die verschiedenen Gewebearten, die Platzierung der Gewebe und die Passform gelernt, und all das haben wir in dieses Trikot einfließen lassen“, erzählt uns Harry.

„So haben wir herausgefunden, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Nähte an den Schultern und im Brustbereich zu reduzieren. Das von uns entwickelte Schnittmuster hat einen Abnäher im Schulterbereich, aber überhaupt keine Nähte hinten an den Schultern. Es gibt eine Naht quer über die Brust und eine quer über den Rücken, mit denen wir aerodynamisch optimierte Materialien integrieren, die so angeordnet sind, dass sie die über die Schultern streichende Luft perfekt leiten.“

Und das ist noch nicht alles. Wenn Luft über die Schultern und den Rücken strömt, wird sie normalerweise durch das überschüssige Material an den Taschen gestört – aber nicht hier. Damit die Taschen stets eng und flach am Körper anliegen, verfügt das Crit Jersey über einen völlig neuen Schnitt.

 

„Das Trikot basiert auf dem Gedanken, dass es keine Ablenkungen geben darf, aber Taschen braucht es trotzdem“, führt Harry aus. „Alle Taschen des Crit Trikots wurden geklebt, um Gewicht einzusparen, und der Schnitt ist so konzipiert, dass es keine unnötigen Verwirbelungen gibt. Es ist eines der komplexesten Kleidungsstücke, die wir je entworfen haben.“



Um den funktionellen, renntauglichen Charakter zu unterstreichen, ist der flache Rückensaum des Crit Jersey geklebt; der niedrige Kragen reduziert Hautirritationen und verbessert bei intensiven Belastungen die Wärmeabstrahlung. Das wichtigste Merkmal ist jedoch das leichte Gewebematerial, aus dem mehrere Bahnen gefertigt werden, darunter auch die Rückenbahn.



Wie jeder Rennfahrer bestätigen wird, ist das Gefühl, schnell zu sein, oft genauso wichtig wie die neuesten Entwicklungen in der Materialtechnologie. Und auch wenn es sich dabei um ein subjektives Maß an Funktionalität handelt, ist das Crit Jersey eines der Trikots mit dem schnellsten Tragegefühl, das wir je entwickelt haben. „Durch die Verwendung des Gewebematerials kann man ein viel besseres Verhältnis zwischen Kompression und Gewicht erreichen, sodass man bei wesentlich geringerem Gewicht das Gefühl hat, in einem Rennen mitmischen zu können“, erklärt Emma Bentley, Managerin für Stoffentwicklung bei Rapha.

Das Gewebematerial ist zudem besonders strapazierfähig und bietet ein zusätzliches Sicherheitsgefühl, das durch die Kompression entsteht. „Es ist reißfest und übertrifft in Bezug auf das Verhältnis von Materialstärke zu Gewicht bei weitem alles, was man mit einem Strickgewebe erreichen könnte“, fügt Emma hinzu.

Unsere Entwicklung von Gewebematerialien begann mit der Pro Team Powerweave Bib Shorts und ist eine Innovation, die inzwischen bei einer Reihe funktioneller Kleidungsstücke – insbesondere Trikots – Einzug gehalten hat. Mit ihrem beeindruckenden Verhältnis von Materialstärke und Strapazierfähigkeit zu Gewicht bieten Gewebematerialien nicht nur die Möglichkeit, den Anforderungen von Straßenfahrern gerecht zu werden, sondern auch jenen von Gravel-Spezialisten.

Die Gravel-Rennen in den USA führen regelmäßig über Hunderte von Kilometern, sodass die Fahrerinnen und Fahrer alles mitnehmen müssen, was sie für sich und ihre Maschinen benötigen. Auf halbem Weg der legendären Strecke des Unbound Gravel in Kansas gibt es einen 100 km langen Abschnitt ohne jegliche Verpflegungsmöglichkeit. Das neue Pro Team Gravel Jersey wurde entwickelt, um völlige Autarkie und optimale Belüftung zu gewährleisten – und das alles bei Renntempo.

 

„Das war die wichtigste Vorgabe unserer Athletinnen und Athleten zu Beginn des Entwicklungsprozesses“, verdeutlicht Harry. „Sie möchten einfach alles – Proviant, Werkzeug, ja sogar Tubeless-Reparatursets – in einem Trikot verstauen können, das aerodynamisch ist, aber gleichzeitig an den heißesten Tagen des Jahres für zusätzliche Belüftung geöffnet werden kann.“

Leichte, im Wind flatternde Stoffe sind jedoch nicht dazu geeignet, vollgepackte Taschen zu halten. Um daher die beiden Anforderungen unserer Athleten in Einklang zu bringen, war eine Innovation in Form eines neuen Bundes unerlässlich.

 

„Der Bund war die perfekte Lösung“, erläutert Harry. „Wir haben ein besonders leistungsfähiges und zugleich leichtes Gewebe verwendet, um die Taschen eng am Körper zu halten, ohne dass sie einschneiden. Und da wir einen ¾-langen Reißverschluss verwenden, lässt sich das Trikot selbst in wirklich unwegsamem Gelände zur Belüftung weit genug öffnen, ohne dass die Stabilität der Taschen beeinträchtigt wird.“



„Mit dem Feedback unserer Praxistesterinnen – darunter Sarah Sturm und Maghalie Rochette – wurde die frauenspezifische Version mit einem durchgehenden Reißverschluss versehen, um das Anziehen zu erleichtern. Beide Designs bieten aber immer noch überragende Belüftung und Stützung der Taschen.



Das leichte Gewebemeterial, das an der Rückseite des Gravel Jersey verwendet wird, verbessert nicht nur die Stabilität der Taschen, sondern bietet auch ein hohes Maß an UV-Schutz. Das ist besonders bei Gravel-Rennen von entscheidender Bedeutung, von denen viele bei extremen Temperaturen und auf Strecken mit langen Abschnitten durch ungeschütztes Gelände gefahren werden. Ein dichter Stoff und der höhere Kragen des Trikots sorgen dafür, dass die Haut so wenig wie möglich der Sonne ausgesetzt ist, sodass Hitzschlag und Sonnenbrand vermieden werden können.

Wer zwei unterschiedliche Disziplinen des Radsports mit gemeinsamen Innovationen in Sachen Bekleidung sucht, wird kaum etwas Gegensätzlicheres finden als Kriteriums- und Gravel-Rennen. Doch in der anspruchsvollen Welt des Profisports zählt nur das Beste. Auch wenn Fahrbahn und Umgebung nicht unterschiedlicher sein könnten, haben diese Bereiche unseres Sports doch alle eine gemeinsame Anforderung: den unbedingten Bedarf an Kleidung, die so spezialisiert ist wie die Athletinnen und Athleten, die sie tragen.