Mit Grand-Tour-Fahrern, die bei den Monumenten mitmischen, und Crossover-Stars, die gleich mehrere Disziplinen dominieren, hat der Radsport ein neues goldenes Zeitalter erreicht. Eines, in dem die Wagemutigen über die Zauderer siegen, in dem Schneid wichtiger ist als Kalkül und in dem eine neue Generation von Fahrern so offensiv ist wie die Champions alter Schule.
Fahrerinnen und Fahrer wie Van der Poel, Vos, Van Vleuten und Van Aert, ganz zu schweigen von Pogačar und Pidcock, haben nichts davon, sich im Rennen zurückzuhalten. Sie sehen keinen Sinn darin, sich nur auf eine Disziplin zu spezialisieren oder sich mit Attacken zurückzuhalten. Vielmehr gehen sie das ganze Jahr über aufeinander los, ob im Schlamm beim Cyclocross oder im Hochgebirge.
Dank dieser Fahrer und ihrer Mitstreiter wurden wir im Jahr 2021 Zeuge von Momenten, die einem das Herz in die Hose rutschen ließen, von waghalsigen Angriffen und Höchstleistungen, die alles in den Schatten stellten. Doch wer hat bei unseren alljährlichen Panache Awards eine Auszeichnung verdient? Hier kommt Raphas Auswahl der Highlights des vergangenen Radsportjahrs.
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Panache 2021
Zu Ehren der mutigsten und leidenschaftlichsten Fahrer 2021.
MATHIEU VAN DER POEL
Tour de France, 2. Etappe
Wenn es 2021 einen Moment gab, der für Panache steht, dann ist es dieser. Mathieu van der Poels waghalsige Doppelauffahrt zur Mûr de Bretagne bot alles: Mut, taktisches Geschick und sogar einen Hauch von Tour-Geschichte. Van der Poel wusste, dass er einen Rückstand von 18 Sekunden aufholen musste, um das Gelbe Trikot zu erobern, das sein Großvater – der legendäre, vor zwei Jahren verstorbene Raymond Poulidor – nie bekommen hatte. Und so setzte er alles auf eine Karte. Er griff nicht nur einmal, sondern gleich zweimal an, deutete beim Überqueren der Ziellinie gen Himmel und brach auf der anschließenden Pressekonferenz in Tränen aus. Vom größten Protagonisten des Panache im heutigen Peloton an den populärsten Fahrer der Vergangenheit: In einem Moment purer Radsport-Poesie ehrte der Enkel seinen Großvater.
ANNA KIESENHOFER
Olympisches Straßenrennen
Als sie in Tokio an den Start ging, hatte Anna Kiesenhofer noch nicht einmal einen Profivertrag. Und sie hat immer noch keinen. Denn eigentlich arbeitet die Österreicherin als promovierte Mathematikerin an der École Polytechnique Fédéral in Lausanne. Das Einzige, was sich geändert hat, ist, dass sie jetzt eine Olympiasiegerin ist. Nachdem sie sich in der Spitzengruppe mit einigem Abstand hinter den niederländischen Superstars eingereiht hatte, setzte sich Kiesenhofer mit drei weiteren Fahrerinnen ab und baute so einen Vorsprung von elf Minuten auf. Und während ihre funklosen Konkurrentinnen weiter hinten trödelten, gab Kiesenhofer Gas. Mit Konzentration und Entschlossenheit setzte sie sich von ihren Mitausreißerinnen ab, hielt die Verfolgerinnen auf Distanz und holte sich schließlich einen wahrlich unerwarteten Sieg. Nicht übel für eine Mathematikerin.
TOM PIDCOCK
UCI CrossCountry-Weltmeisterschaft #1, Albstadt
Nachdem Tom Pidcock bereits beim Brabantse Pijl (und beim Amstel Gold Race) die Besten auf der Straße hinter sich gelassen hatte, richtete er seinen Fokus im Mai auf die Herausforderungen des Mountainbikens. Da er beim Weltcup-Auftakt in Albstadt in der hintersten Startreihe stand, schien ein Sieg unwahrscheinlich, aber das hielt ihn nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Der junge Mann aus Yorkshire bahnte sich seinen Weg durch das Feld und arbeitete sich bis auf einen unglaublichen zweiten Platz hinter Mathias Flückiger vor, bevor er auf den fünften Platz zurückfiel. Ein unglaubliches Ergebnis, das den Grundstein für noch größere Erfolge im weiteren Verlauf der Saison legen sollte.
MAGHALIE ROCHETTE
UCI Cyclocross-Worldcup #8, Besançon
Wenn du beim ersten Mal keinen Erfolg hast, versuche es noch einmal und noch einmal. Bis Ende November hatte die dreifache kanadische Cross-Meisterin Maghalie Rochette nicht weniger als 55 europäische Rennen des UCI Cyclocross World Cup bestritten, ohne jemals auf dem Podium gestanden zu haben. Den Atlantik zu überqueren, um im belgischen Winter Rennen zu fahren, ist hart. Man ist monatelang von der Familie getrennt, lebt in einem Wohnmobil und fühlt sich oft als Außenseiter. Aber wenn du Maghalie bist, versuchst du es immer wieder – und wirst irgendwann dafür belohnt. Beim 56. Versuch holte sie sich ihren wohlverdienten ersten Podiumsplatz in Europa, und niemand hat sich mehr darüber gefreut als wir. Chapeau, Champion!
LIZZIE DEIGNAN
Paris-Roubaix
Die meisten Rennen finden jährlich statt, manche nur alle vier Jahre. Die erste Ausgabe von Paris-Roubaix der Frauen im Oktober war ein Rennen, auf das man 125 Jahre lang warten musste. Für die meisten Fahrerinnen war das rutschige Kopfsteinpflaster die Hölle, aber nicht für Lizzie Deignan. Sie nutzte die Stärke ihres Teams, fuhr 80 km vor Ziel ihre Attacke und pflügte furchtlos als Solistin über die französische Holperstrecke. Wie auf dem Drahtseil hätte ein einziger Ausrutscher eine Katastrophe bedeuten können, aber Deignan stellte unerschütterliche Souveränität und überragendes Fahrkönnen unter Beweis – die Zeichen großer Champions. Die Weltmeisterschaft, Lüttich, Flandern, Strade, Wevelgem – und jetzt Roubaix. Ein perfekter Palmarès und eine würdige Siegerin für den ersten von vielen Samstagen in der Hölle.
CLÉMENT CHAMPOUSSIN
Vuelta a España, 20. Etappe
Trotz des zerklüfteten Etappenprofils sah es so aus, als ob die zwanzigste Etappe der Vuelta einem bewährten Drehbuch folgen würde, als die Favoriten im Gesamtklassement die sonnenverbrannten Reste der heutigen Fluchtgruppe am letzten Anstieg zum Alto Castro de Herville einholten. Doch mit viel Mut und Beharrlichkeit erzwang Clément Champoussin eine überraschende Wendung der Geschichte. Anstatt anonym im Hintergrund zu verschwinden, wie er es hätte tun sollen, als er von den großen Jungs überholt wurde, biss der junge Mann aus Nizza die Zähne zusammen und schaltete einen Gang höher. Er ging aus dem Sattel, preschte in kraftvollem Wiegetritt an den Favoriten vorbei und ließ Roglic, Mas & Co. einfach stehen. Bis zur letzten Faser seines Körpers angespannt, besiegte er die besten Fahrer der Welt allein durch seinen Mut – und bewies damit, dass man Underdogs nie unterschätzen sollte.
KASIA NIEWIADOMA
Amstel Gold Race
Im Zeitalter zunehmender Spezialisierung ist es altmodisch geworden, ein Rennen beim Schopf zu packen. Es ist so schwierig, dass es nur wenige überhaupt versuchen – aber Kasia Niewiadoma ist keine normale Fahrerin. Sie würde nicht auf einen Sprint warten, selbst wenn sie dazu aufgefordert würde, und beim Amstel Gold zeigte sie die für sie typische offensive Fahrweise. Nachdem sich die Polin am Cauberg abgesetzt hatte, war sie drauf und dran, ihren zweiten Titel zu holen. Alles, was sie dafür brauchte, war ein wenig Kooperation, ein wenig mehr Zuversicht von ihrer Mitausreißerin Elisa Longo Borghini. Doch ach!, die Italienerin wollte sich nicht an der Arbeit beteiligen, und so wurde das Duo vor der Ziellinie gestoppt. Marianne Vos holte sich einen weiteren Sieg; aber die eigentliche Gewinnerin war Niewiadoma, die ihr Herz in die Hand genommen und das Rennen eröffnet hatte.
TACO VAN DER HOORN
Giro d’Italia, 3. Etappe
In den letzten Jahren war Intermarché-Wanty-Gobert als ein Team bekannt, das mehr Sponsoren auf dem Trikot hatte, als es WorldTour-Siege erzielen konnte. Doch 2021 ging es für die Belgier bergauf, und den Anstoß dazu gab ein Niederländer, der zu träumen wagte. Vor der dritten Etappe des Giro hatten nur wenige einer Ausreißergruppe Chancen gegeben, doch davon unbeirrt, setzten sich fünf Männer ab. Nur Simone Pellaud konnte mit Van der Hoorn mithalten, bis auch er abreißen lassen musste. Aber selbst jetzt war es noch nicht vorbei, denn Giulio Ciccone und Tony Gallopin nahmen hinten die Verfolgung auf. Als er die Zielgerade erreichte, wandelte sich sein unerschütterlicher Wille in ungläubige Freude, denn Van der Hoorn gelang der größte Sieg seiner Karriere und der erste für sein Team seit der Aufnahme in die WorldTour.
GIACOMO NIZZOLO
Giro d’Italia, 13. Etappe
Der letzte Platz auf unserer Liste geht an jenen Fahrer, der am längsten auf seinen Sieg warten musste. Vor seinem achten Giro konnte Europameister Giacomo Nizzolo bereits neun zweite Plätze verbuchen und gewann zweimal die Punktewertung. Doch das Warten auf den erhofften Etappensieg ging weiter. Der arme Giacomo musste sogar mitansehen, wie in der ersten Woche nicht weniger als fünf Etappen an Grand-Tour-Debütanten gingen. Und als er bei der 13. Etappe in Ravenna am Start stand, war seine Bilanz an zweiten Plätzen bereits auf elf angewachsen. Doch in Verona war es dann soweit: Nizzolo setzte sich gegen Edouardo Affini durch und holte sich einen der gefeiertsten und verdientesten Etappensiege in der Geschichte des Giro.