Crossen steckt an

Manche sagen, nirgendwo könne man so viel Spaß auf zwei Rädern haben wie beim Cyclocross. Fünf routinierte Fahrer haben uns erzählt, warum.

17 September 2018

DAN CHABANOV

Zuhause an der Spitze

Der in Russland geborene New Yorker Dan Chabanov fährt für ein Team, das dem legendären Rahmenbauer Richard Sachs gehört. Dieses Jahr nimmt RSCX an den größten Rennen der US-Szene teil und fährt in „Rapha Custom“-Bekleidung. Und Dan – ehemaliger Radkurier und dreimaliger Sieger des Red Hook Crit – dürfte mit ausgefahrenen Ellenbogen ganz vorne zu finden sein.

Wie fange ich mit dem Crossen an?

Denk mal an Touren, die du kürzlich gefahren bist. Kannst du dich an den Schotterweg erinnern, der von deiner üblichen Runde abzweigt? Hast du ihn mal ausprobiert? Glückwunsch, dann hast du Crossfahren ausprobiert. Das war immer mein Tipp für Leute, die Cyclocross ausprobieren wollten: Such dir einen Schotterweg und finde raus, wo er hinführt. Danach suchst du dir einen Singletrack und siehst zu, dass du in Schwierigkeiten kommst.

Brauche ich ein Crossrad?

Wenn du keins hast, ist es auch okay. Montiere die breitesten Reifen, die in dein Rennrad passen, und fahr durch den Wald. Genau so habe ich vor zehn Jahren angefangen: Mit meinem Rennrad bin ich Schotterstraßen und Pfade gefahren und habe versucht, neue, anspruchsvolle Sachen mit meinen Strecken zu kombinieren. Der beste Rat, den ich bekommen kann? Fahr etwas langsamer und tue ansonsten so, als ob es eine Teerstraße sei. Entspanne außerdem deinen Oberkörper und versuche, deinen Lenker nicht so fest zu umklammern. Locker lenkt sich’s am besten.

Wie fange ich an, Rennen zu fahren?

Halte dich nicht zurück, gib einfach alles. Ich empfehle von ganzem Herzen, einfach ins kalte Wasser zu springen und dann zu lernen. Aber wenn dir das nicht zusagt, kannst dich an die örtliche Radsportgemeinschaft wenden. Wenn du zu einem Rennen fahren willst, ist mein letzter Rat, früh da zu sein und lange zu bleiben. Anders als beim Straßenradsport ist die Geselligkeit bei Crossrennen einer der besten Aspekte der ganzen Sache. Fahr den Kurs mit ein paar Kumpels vorher ab und feuere dann deine Gegner in anderen Rennen an. Hier ein Profitipp: Buhrufe sind voll 2012. Bleib beim Anfeuern, das kommt bei allen an.

MEREDITH MILLER

Die US-Legende

Die nordamerikanische Kämpferin hörte 2013 mit dem Straßenrennsport auf, doch Meredith Miller lässt ihre Gegnerinnen bei Querfeldeinrennen immer noch Staub schlucken, obwohl sie 2016 offiziell aufhörte. Wenn Meredith nicht gerade als Koordinatorin des Rapha Cycling Club Boulder andere Radfahrer inspiriert, gewinnt sie, wo sie nur antritt: CrossVegas, Grinduro, Landesmeisterschaft CX Single Speed und, und, und…

Wie sind Crossrennen?

Crossrennen sind kurz, aber eine intensivere Art, Rennen zu fahren, gibt es kaum. 30 Minuten oder eine Stunde gibst du Vollgas von Anfang bis Ende... Es sei denn, du hältst an, wenn du ein Bier gereicht bekommst. Und wenn du den Becher gerade zurückgegeben hast, musst du absteigen und mit dem Rad auf der Schulter eine Treppe hochrennen. Bevor alles vor deinen Augen verschwimmt, muss du deine Sinne zusammennehmen, um durch einen matschigen Schräghang zu kommen, ohne mit dem Hintern voraus in die Fangnetze unten an der Strecke zu rutschen. Jetzt sind dein Rad und du mit fünf Pfund Matsch bedeckt, und du musst dir deinen Weg in die Wechselzone bahnen, wo du anmutig dein Rad gegen ein sauberes eintauschst, wobei deine bessere Hälfte dich anschreit, schneller zu fahren. Und dann machst du das Ganze noch vier Mal von vorne. (Bitte beachten: Nicht bei jedem Rennen wird Bier gereicht, aber wenn doch, hast du Glück.)

Wie hast du dich verbessert?

Ich war durch und durch Straßenfahrerin, als ich zum ersten Mal ein Crossrad in die Hand nahm. Ich hatte den Motor für lange, kraftvolle Geraden, doch mein Motor half mir nicht beim Steuern durch Schlamm, so dick wie Erdnussbutter, und mein Körper erstarrte, bevor ich steile, zerfurchte Abfahrten runterfiel. Vielleicht habe ich sogar mal ein bisschen geweint, als ich versuchte, mit meinem Rad über blankes Eis zu fahren. Doch nur selten konnte ich diese Fähigkeiten in Colorado üben, wo es praktisch keine schlammigen Rennen gibt und die Kurse verglichen mit denen in Europa zahm sind. Ich übte grundlegende Fähigkeiten im Park. Ich sprang in Trainingsrennen über die Hürden. Ich fuhr Mountainbike, um mich ans Driften mit zwei Rädern zu gewöhnen. Ich fuhr meinen Teamkolleginnen hinterher, wie sie Bordsteinkanten im Bunnyhop nahmen, durch Längsrinnen spurten und durch dicken Schlamm sausten, als wäre es Suppe. Das Meiste lernte ich im Ernstfall.

Wann wusstest du, dass es Liebe ist?

Im Flutlicht Rennen fahren. Die Cross-verrückten Fans hinterm Flatterband, bei jedem einzelnen Fahrer, der vorbeikam, am Jubeln und am Buhen. Hingehaltene Bierbecher. Hingehaltene Geldscheine. Hürden. Laufen. So viel Energie auf dem Gras des Fußballstadions. Es war elektrisierend. Ich habe nie gleichzeitig so viel gelitten und gelächelt. Ein Rennen, und ich hing am Haken. CrossVegas, Baby. CrossVegas.

SOPHIE DE BOER

Weltklasse-Profi

Sophie de Boer gehört zu den besten Querfeldeinfahrerinnen der Welt. Die Profifahrerin aus Amsterdam war 2016/17 unschlagbar beständig und holte sich damit den Gesamtsieg beim World Cup. Nach viel Verletzungspech und langer Reha geht Sophie nun gesund und ambitioniert in die neue Saison, um wieder ihr altes Niveau zu erreichen.

Was ist das Beste am Crossen?

Im Wald oder offroad zu fahren, erfordert immer Konzentration und Vorsicht. Ich liebe es, mich komplett zu fokussieren, 100 Prozent, und an nichts anderes zu denken. Wenn ich zum Beispiel mit dem Rennrad trainiere, sind meine Gedanken überall. Manchmal ist das schön, aber ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Cyclocross deine ganze Aufmerksamkeit fordert.

Was ist im Rennen besonders schwer?

Beim Start musst du wirklich, wirklich gut sein. Bei jedem Rennen spüre ich den Druck, dass mein Start super sein muss, obwohl ich eigentlich eine gute Starterin bin und oft den „Hole shot“ schaffe [auf dem ersten Platz in die erste Kurve]. Außerdem ist die Saison wirklich lang. Wir fangen im September an, und jede Woche fahren wir zwei oder mehr Rennen, bis es im Februar aufhört. Vergleiche das mal mit Straßenrennen, wo du deine Batterien zwischen den Rennphasen wieder aufladen kannst. Am Ende der Cross-Saison, so im Januar oder Februar, fühle ich mich komplett erschöpft.

Wie fühlt es sich im Rennen an?

Wie ich ein Rennen erlebe, hängt sehr davon ab, wie gut die Beine sind. Manchmal fahre ich Rennen, wo ich vorne bin und alles läuft super, ich strenge mich super an, du hörst die Menge, doch es lenkt dich nicht ab. Du genießt es und bist im Flow. Aber wenn du schlechte Beine hast, den Druck spürst oder krank bist, fühlst du die Schmerzen mehr. Du hörst auch, was die Leute sagen, und es geht dir durch den Kopf. Manchmal sagen Leute lustige Sachen wie „Sophie, willst du mich heiraten?“ und ich lache, aber es kann auch negativ sein: „Komm schon, Mädel, das ist nicht gut“, oder „Oh nein, du solltest besser sein“. Ich fahre wirklich gerne in den USA, denn dort würden die Leute so etwas niemals sagen.

HAMISH LOW

Der Einsteiger, der weit fuhr

Der in Melbourne geborene Hamish Low, Koordinator unseres Produktverschleiß-Testprogramms, entdeckte letztes Jahr das Crossen. Als einer von rund 20 begeisterten Querfeldeinfahrern im Londoner Hauptquartier von Rapha nahm er mit zwei Kollegen das 900 km lange Offroad-Ultra-Ausdauerrennen Italy Divide in Angriff. Und er sagt: „Du kannst alles mit einem Crossrad machen, es ist so vielseitig.“

Wie hat das Crossen deine Art, Rad zu fahren, verändert?

Das Crossen hat mir Teile der Stadt zugänglich gemacht, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Die ganzen Strecken sind viel weniger weit entfernt von mir, als ich gedacht habe. Ich bin durch den Wald gefahren und auf Straßen, und ich habe die unglaublichen Trails gar nicht wahrgenommen, die man mit einem Rad mit Rennlenker fahren kann. Es gibt etwas im Straßenradsport, das dich dazu bringt, besonders empfindlich und schonend mit dir selbst zu sein. Beim Crossen dagegen bist du völlig darauf eingestellt, schmutzig zu werden, und du wirst höchstwahrscheinlich mit ein paar Kratzern und Beulen nach Hause kommen. All das gehört dazu. Du landest auf den Boden, lachst und springst gleich wieder aufs Rad. Es ist wie wieder ein Kind zu sein.

Wann hast du angefangen, wirklich Cross zu fahren?

Bei Rapha konnten wir Mittwoch morgens fahren, und in Herbst und Winter sind ein paar von uns jede Woche zu den Trails im Epping Forest aufgebrochen. So viel Spaß auf dem Rad hatte ich selten. Es war auch viel kommunikativer, als ich erwartet hatte. Ich rede viel mehr und rufe, wenn ich eine kniffelige Situation gemeistert habe oder wenn andere es schaffen. Immer am Rande eines Sturzes zu fahren, gibt dir wirklich einen Kick.

Warum durch ein ganzes Land crossen?

Ende 2017 suchte ich mit zwei Jungs von Rapha nach einer Herausforderung, die schwierig und abenteuerlich sein sollte und mit dem Crossrad machbar. Wir entschieden uns für das Italy Divide, ein Nonstop-Rennen im Gelände von Rom an den Gardasee. Wenn es um Langstreckenfahrten geht, sehe ich mich als kompletten Laien, und ich habe mich nicht einmal besonders vorbereitet, abgesehen von einer Tour nach Belgien zur Flandern-Rundfahrt und zurück. Aber wir schafften die ganze Strecke. Ein unvergessliches Erlebnis.

Neil Phillips

Das Allround-Talent

Neil kommt aus Cornwall im Südwesten Englands. Sein Gesicht ist bei Rapha gut bekannt, hat er doch im Laufe der Jahre bei Kampagnen für Road, Brevet und Cross mitgewirkt. Außerdem fährt er sehr viel. Als Rennfahrer der höchsten Kategorie konnte er sich diesen Sommer bei der Tour Series gegen die Elite der Berufsfahrer behaupten. Mit dem Crossrad fuhr er in der vergangenen Saison acht Mal aufs Podest, und 2016 wurde er Zweiter bei einem der größten Solo-Langstreckenrennen, dem Transcontinental.

Was ist deine bevorzugte Disziplin, und warum?

Es ist echt schwer, einen Favoriten herauszupicken, und ich finde es toll, dass ich im Laufe des Jahres von einer zur anderen wechseln kann. Dennoch ist Cross diejenige, die ich am meisten mag. Es ist immer total kommunikativ, die Trainingseinheiten wie die Rennen. Auf lokaler Ebene wird es nicht so ernst genommen, und ich finde es genial, dass Fahrer auf jedem Niveau zusammen Rennen fahren können, und jeder duelliert sich mit den Leuten direkt vor und hinter ihm. Ich bin gerne draußen, und durchs Crossen bin ich das ganz Jahr über vor der Tür. Ich verbessere ständig meine Radbeherrschung auf technischen Strecken, was mir im Sommer bei Straßenrennen und Kriterien zugutekommt.

Was war bisher dein Highlight auf dem Crossrad?

Die ganze letzte Saison war etwas Besonderes – meine Fähigkeiten und meine Fitness haben einen Sprung gemacht. Doch zwei Highlights wären mein 13. Platz beim Three Peaks – wahrscheinlich der härteste Cross-Event im britischen Kalender, der über drei Berggipfel in Yorkshire führt. Es ist ein Hobbyrennen, doch die Szenerie und die Leute sind es wert. In traditioneller Hinsicht waren die Top 20 bei der National Trophy ganz oben. Vor allem im Duell mit einem echten Helden des Cross-Sports, Nick Craig – mehrfacher britischer Querfeldein- und CrossCountry-Meister.

Warum durch einen ganzen Kontinent crossen?

Zu jener Zeit war es eine Unbekannte für mich, körperlich, mental und geografisch. Ich wollte meinen Fähigkeiten eine andere Richtung geben, sehen, was ich lernen und entdecken kann. Das Leben und die Landschaft in Gegenden sehen, die du noch nie besucht hast und nie besucht hättest, wenn dich nicht die Strecke durch sie hindurch geführt hätte.

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