Das Wintermärchen

Drei Geschichten über Ruhe, Durchhaltevermögen und Erfolg vom letztjährigen Festive 500.

Vor über einem Jahrzehnt wurde das Festive 500 von Rapha-Designer Graeme Raeburn ins Leben gerufen, der über die Feiertage das Leben und das Trainingspensum eines Radprofis einmal selbst erleben wollte. Heute stellen sich Tausende von Fahrerinnen und Fahrern auf der ganzen Welt dieser Herausforderung, die für jeden von ihnen eine etwas andere Bedeutung hat.

Im Jahr 2020 war das Sammeln der Kilometer nur ein Teil der Herausforderung, da die Zeit im Freien für viele von uns durch immer wiederkehrende Lockdowns eingeschränkt war. Doch trotz — oder gerade wegen — der damit verbundenen Schwierigkeiten nahmen dennoch etliche am Festive 500 teil. Aus diesem Grund möchten wir hier drei der inspirierendsten Geschichten auf dem Rad präsentieren.


 

FRANCES GESCHICHTE

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CHANTALS GESCHICHTE

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MILLIES GESCHICHTE

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MIT MILLIE ZUM ERFOLG

Nur wenige Tage zuvor war Millie von einer 100 Meilen langen Fahrt anlässlich der Wintersonnenwende zurückgekehrt, als sie die Nachricht erhielt, dass sie über Weihnachten nicht nach Hause fahren könne. Gerade war ein neuer Lockdown angekündigt worden und sie saß in London fest. In diesem Moment sagte sie zu ihrem Freund: „Nun, wir sind nur zu zweit. Lass uns das Festive 500 bestreiten.“

Als Assistenzärztin, die ihr Studium während der Pandemie abgeschlossen hatte, waren die ersten Monate im Job schwierig, chaotisch und stressig — und auch über die Feiertage würde es nicht besser werden. Im Angesicht der Erschöpfung konnte sie ihre Frustration in die Pedale übertragen, denn die Herausforderung motivierte sie, in ihrer freien Zeit zu fahren.


 

„Meine Familie nicht sehen zu können, war hart. Ich stehe meinen Eltern sehr nahe, vor allem seitdem mein Bruder verstorben ist. Die Feiertage sind eine sehr familienintensive Zeit im Jahr und ich hatte das Gefühl, dass ich die Zeit, die ich nicht mit ihnen verbringen würde, wenigstens produktiv nutzen sollte.“

„Von den acht Tagen der Herausforderung habe ich an vier davon gearbeitet. Zwei davon waren lange Tage, das heißt etwa 12,5 Stunden lang. Somit hatten wir im Grunde nur vier Tage Zeit, um die 500 Kilometer zurückzulegen. Unsere größte Herausforderung war die Organisation unseres Vorhabens und die Frage, wann wir es angehen wollten.“

„Die Erschöpfung und Überlastung unter den Beschäftigten im Gesundheitssystem war deutlich zu spüren, weshalb jeder von uns Bewältigungsstrategien für den emotionalen und körperlichen Stress entwickeln musste. Das Radfahren war meine Rettung und das Festive 500 gab dem Ganzen einen Sinn. Und es ist wichtig, etwas sinnstiftendes zu tun. Die Pandemie hat viele Menschen zu dieser Erkenntnis gebracht. Man muss etwas tun, was man selbst für sinnvoll erachtet. Das Gefühl, etwas zu erreichen, spielt im Leben eine sehr große Rolle.“

CHANTALS FESTTAGSFREUDE

In einer Geschichte, die vielen letztes Jahr nur allzu bekannt vorkommt, wurde Chantal während des Lockdowns erst freigestellt, bevor sie dann im Winter entlassen wurde. Als sie sah, dass es ihren Freunden schwer fiel, in Weihnachtsstimmung zu kommen, beschloss sie, drastische Maßnahmen zu ergreifen und ihr altes Fahrrad zu suchen.

Herausgeputzt und mit funkelndem Weihnachtsbaumschmuck dekoriert, fuhr sie durch London und besuchte Freunde in der ganzen Stadt, um sich mit ihnen zu treffen und zu plaudern – natürlich mit dem nötigen Abstand zueinander. Dabei hat sie gleichzeitig mehr Kilometer auf dem Rad zurückgelegt als jemals zuvor und krönte das Jahr, in dem sie sich in den Radsport verliebt hat, mit der Teilnahme am Festive 500.


 

„Ich wollte etwas inklusives, unverbindliches und zwangloses unternehmen, aber das war eine große Herausforderung. Etwas, bei dem man nicht gegen jemanden antritt — sondern nur gegen sich selbst. Zwei Freunde waren schwer an Covid erkrankt, weshalb ich keine Zeit mit ihnen verbringen konnte. Im Rahmen der Festive 500 konnte ich aber an bei ihnen vorbeifahren und durch das Fenster zuwinken.“

„Für die Leute, mit denen ich ein wenig Zeit verbringen konnte, habe ich Glühwein und Lebkuchen mitgebracht. Man sieht nicht viele Radfahrer, die mit Glühwein im Flaschenhalter unterwegs sind! Das Lametta und die Lichterketten waren nicht gerade unauffällig, aber ich bin sicher, dass ich einigen Leuten damit ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte, als ich an ihnen vorbeifuhr. Mein Ziel dieser Herausforderung war es, etwas Freude zu verbreiten.“

„Allen, die sich in diesem Jahr zum ersten Mal der Herausforderung stellen, kann ich nur empfehlen, sich ein paar Freunde zu suchen, die einem unterwegs zur Seite stehen. Sei es, dass man jemanden findet, der neben mit einem mitfährt, oder dass man sich ein Ziel setzt, das man ansteuert.

MIT FRANCES INS MORGENGRAUEN

In den vielen Jahren, in denen Frances mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat sie gemerkt, dass sie den Frieden und die Ruhe bei ihren Touren besonders schätzt. Aufgrund ihres Autismus hat sie Schwierigkeiten mit verkehrsreichen Straßen, weswegen sie zusammen mit ihrem Vater Keith beim letztjährigen Festive 500 das Beste aus den frühen Morgenstunden herausholen wollte.

Mit Frittatas versorgt und mit einer Kamera im Gepäck, um all die Eindrücke zu festhalten, die sie auf ihren Touren sammelten, machten sich Frances und Keith oft schon vor Sonnenaufgang auf den Weg. Und ihre frostigen Fahrten sind seither eine Quelle der Inspiration. Frances’ erste Illustrationen brachten ihr einen Platz bei unseren Festive 500 Awards ein – und auch jetzt noch zeichnet sie Szenen von ihren Fahrten, wie uns ihre Mutter Karen erzählte.


 

„Radfahren ist eine Form der intensiven körperlichen Betätigung, die Frances braucht. Es hilft ihr, sich zu konzentrieren, und sie genießt es einfach, draußen unterwegs zu sein und Neues zu sehen. Sobald sie von ihren Fahrten heimkehrte, sprudelte sie nur so vor Ideen. Sie wollte schon immer beim Festive 500 mitfahren, aber da Keith in der Weihnachtszeit 12-Stunden-Schichten arbeitete, war das bisher nicht möglich gewesen.“

„Als er im Dezember letzten Jahres frei hatte, war also genau die richtige Gelegenheit dafür. Sie hatten schon einige längere Strecken zurückgelegt, wodurch sie gut vorbereitet waren, und Frances motiviert einfach jeden, der mit ihr zusammen fährt. Sie verfügt über eine große Ausdauer und gibt nicht auf. Keith musste regelrecht mit ihr mithalten!“

„Sie verlangsamte zwar das Tempo, damit er aufholen konnte, aber einige Male kam Keith trotzdem keuchend und ziemlich erschöpft zurück. Das Festive 500 war für die beiden ein großartiges Erlebnis – und auch heute noch sind diese Fahrten der Ausgangspunkt für ihre Zeichnungen. Diese radsportliche Woche hat sie für sehr lange Zeit inspiriert.“